Schleifung der Bastionen – Das Zweite Vatikanische Konzil

Schleifung der Bastionen – Das Zweite Vatikanische Konzil

Schleifung der Bastionen – Das Zweite Vatikanische Konzil
II. Vatikanisches Konzil: Auszug der Bischöfe aus der Konzilsaula in der Peterskirche © KNA

Worum geht´s?

Eckdaten des Films:

Dokumentation

Deutschland 2011, 134 Min. (3 x 44 Min.)

Regie: Martin Posselt, Werner Reuß

Produktion: BR alpha, © BR

Lehrprogramm, pädagogische Empfehlung: ab 14 Jahren

Schuljahre: Sek I ab Klasse 9, Sek II

Die aufwändig recherchierte Dokumentation verfolgt chronologisch und mithilfe nahezu ausschließlich originaler Aufnahmen aus den 1960er Jahren die Ereignisse rund um das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965). Sie zeigt die Atmosphäre eines Aufbruchs in der katholischen Kirche: Von den Reformimpulsen vor dem Konzil über die Debatten und Entscheidungen währenddessen bis hin zu den Nachwirkungen in Kirche und Gesellschaft. Darüber hinaus kommen Zeitzeugen zu Wort, die helfen, das Dargestellte einzuordnen.

Der Dokumentarfilm besteht aus drei Teilen, die sich folgendermaßen charakterisieren lassen: Teil 1 widmet sich der Vorbereitung und Eröffnung des Konzils sowie der Liturgiereform und dem Aufgreifen der „Zeichen der Zeit“; Teil 2 beschäftigt sich vornehmlich mit Mission, Ökumene, Offenbarung und Dogmen; Teil 3 nimmt die zentralen Texte „Lumen Gentium“ und „Gaudium et Spes“ in den Blick sowie die Nachwirkungen des Konzils.

Welche medienpädagogischen Themen werden im Film angesprochen?

Authentizität von Archiv- und Originalmaterialien

Mediendidaktik

Quellen- und Medienkritik

Zeit- und Kontextbewusstsein

Medien als Vermittler religiöser und gesellschaftlicher Umbrüche

Beeinflussung durch Medien

Erinnerungskultur

Rezeption

Schleifung der Bastionen – Das Zweite Vatikanische Konzil
Foto: Vinicius Vieira fotografia – Pexels (CC0)

Was macht den Film für die Bildungsarbeit besonders wertvoll?

Am 8. Dezember jährt sich das Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils zum 60. Mal. (Siehe auch der Beitrag Vor 60 Jahren endete das Zweite Vatikanische Konzil: Was Kirche über Medien sagt und was Medien über das Konzil sagen.) Ein aktueller Anlass, sich dem Thema und seiner medialen Aufarbeitung zu widmen, zudem sind viele der damals angestoßenen Fragen und Spannungsfelder  auch heute noch aktuell.

Die filmische Umsetzung verzichtet bewusst und erfolgreich auf Nachinszenierungen: Authentische Bilder, originale Stimmen und Dokumente erzeugen eine unmittelbare Nähe zu den 1960er-Jahren, ihren Einstellungen, Konflikten und ihrer Atmosphäre.

Die zum Film gehörende Arbeitshilfe, erhältlich online oder zum Download über die konfessionellen Medienzentralen, bietet methodisch-didaktisch aufbereitete Materialien: Info-Texte, Arbeits- und Aufgabenblätter, methodische Hinweise und Kontextinformationen (z.B. zur Biografie von Kommentator Mario von Galli) und macht so den Film nicht nur zu einer historischen Rückschau, sondern zu einem Instrument für Bildung, Reflexion und Debatte.

Inhalt

Der Dokumentarfilm Schleifung der Bastionen zeichnet in drei Teilen die Ereignisse während des Zweiten Vatikanischen Konzils nach:

Teil 1 – Kirche im Aufbruch (1960–1962)

Der erste Teil zeigt die katholische Kirche zu Beginn der 1960er Jahre als eine von Traditionen geprägte, in festen Strukturen verharrende Institution. Mit der Wahl von Papst Johannes XXIII. im Jahr 1958 beginnt ein überraschender Reformimpuls. Darüber hinaus behandelt der Film die Vorbereitungen des Konzils, das weltkirchliche Zusammenströmen der Bischöfe in Rom sowie die bedeutende Eröffnungsrede des Papstes, die eine geistige Erneuerung und Öffnung ankündigt.

Das Konzil entwickelt früh eine Eigendynamik. So werden die geplanten Abläufe werden verändert, theologisches Fachwissen gewinnt an Einfluss und Beobachter wie der Jesuit Mario von Galli kommentieren den beginnenden innerkirchlichen „Aufstand“. Außerdem werden Themen wie die Rolle der Laien, neue Vorbilder im Glauben und zentrale Dokumente eingeführt. Schließlich beendet der Tod Johannes XXIII. die erste Phase und stellt das Konzil unter Papst Paul VI. auf neue Grundlagen.

Teil 2 – Kirche in Bewegung (1963–1964)

Der zweite Teil zeigt die Fortsetzung und Intensivierung der Reformen. Aus Missionsgebieten entstehen selbstständige junge Kirchen, ökumenische Beobachter erhalten Raum und neue Moderatoren strukturieren die Arbeit. Schwerpunkt ist die Liturgiereform sowie die wachsende Bedeutung der Weltkirche und der Missionsbischöfe.

Paul VI. setzt Zeichen der Versöhnung, etwa durch seine Pilgerreise ins Heilige Land. Das Konzil widmet sich intensiv der Ökumene: Das Dekret Unitatis redintegratio entsteht, und zentrale Fragen zu Dogma, Offenbarung und der Beziehung zwischen Papst und Bischöfen werden diskutiert.

Teil 3 – Kirche im Gegenwind (1965–1968)

Im letzten Teil treten die Konfliktlinien deutlich schärfer hervor. Dabei wird in den Debatten um Lumen gentium, Gaudium et spes und besonders um die Erklärung über Religionsfreiheit sichtbar, wie umkämpft die zentralen Reformthemen sind. Und auch die Stellung zu anderen Religionen wird intensiv diskutiert und teils heftig angefochten.

Mit dem Abschluss des Konzils 1965 beginnt der schwierige Übergang in die Umsetzung. Der Film zeigt liturgische Veränderungen, neue Formen kirchlichen Lebens und zugleich wachsende Spannungen, etwa auf der Bischofssynode 1967. Der Höhepunkt der Nachkonzils-Krise wird anhand der Enzyklika Humanae vitae (1968) dargestellt, deren Ablehnung vieler Gläubiger eine tiefe Vertrauenskrise auslöst. Abschließend verweist der Film auf die aufkommende Theologie der Befreiung und ihren Einsatz für Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit.

Schleifung der Bastionen – Das Zweite Vatikanische Konzil
Foto: Indirex – pixabay (CC0)

Für wen eignet sich der Film besonders?

  • Schulklassen der Sekundarstufe I und II
  • Jugendgruppen
  • Erwachsenenbildung
  • Interreligiöse Arbeit
  • Kirchliche Bildungsarbeit
  • Medien- bzw. religionspädagogische Seminare

Zum Einsatz in der (außer-)schulischen Medienarbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen

Der Film Schleifung der Bastionen bietet für die medienpädagogische Arbeit mit jungen Menschen, besonders beim Einsatz ausgewählter Ausschnitte, mehrere Anknüpfungspunkte. Seine Stärke liegt weniger in einer emotionalen Ansprache, als vielmehr in seiner Funktion als historische Medienquelle, die zur kritischen Medienanalyse herausfordert. Einem jungen Publikum kann gezeigt werden, wie Medien vergangener Zeiten aussahen und welche gesellschaftliche Autorität sie signalisierten, wodurch ein besseres Verständnis für historische Kommunikationsformen entsteht. Zudem lässt sich untersuchen, wie Kirche damals inszeniert wurde, welche Bildsprache dominierte und wie eine authentische historische Atmosphäre erzeugt wurde, wobei gerade diese Einblicke die historische Distanz sichtbar machen. Auf diese Weise wird der Film zu einem gelungenen Beispiel für Quellenkritik, Medienanalyse und historische Kontextualisierung. Er zeigt Kirche als Institution im tiefen Wandel, liturgisch, politisch und kulturell und ermöglicht jungen Menschen, die Religion oft nur aus heutiger Perspektive kennen, einen differenzierten Zugang zu dieser komplexen Thematik.

Zum Einsatz mit Erwachsenen und Senior:innen

Der Film, bzw. eine Auswahl einzelner Kapitel, präsentiert historisches Material ruhig, klar und sachlich. So bietet er älteren Zielgruppen, die sich möglicherweise noch selbst an die Konzilszeit erinnern, einen hohen Wiedererkennungswert. Damit unterstützt die Dokumentation persönliche Erinnerungskultur und regt zum Austausch über eigene Erfahrungen mit Kirche, gesellschaftlichem Wandel und Medien an. Er knüpft an eigene Glaubensbiographien an und eignet sich gut für eine Auseinandersetzung mit der Liturgie, kirchlichen und gesellschaftlichen Umbrüchen sowie der kirchlichen Zeitgeschichte.

Bezugsmöglichkeiten

Schleifung der Bastionen – Das Zweite Vatikanische Konzil und das zugehörige Arbeitsmaterial ist bei verschiedenen Medienzentralen zur digitalen Ausleihe verfügbar, zu finden im Medienportal.

Fazit

Der Film rekonstruiert den Verlauf des Konzils chronologisch, von seinen historischen Voraussetzungen über die Debatten zwischen konservativen und progressiven Kräften bis hin zu den weitreichenden Entscheidungen, die das Selbstverständnis der katholischen Kirche dauerhaft verändern sollten. Dabei entsteht durch die ausschließliche Verwendung authentischer Film- und Tonaufnahmen eine eindringliche zeitgeschichtliche Dichte, die die Atmosphäre der 1960er-Jahre unmittelbar erfahrbar macht.

Die Einbettung von Zeitzeugenstimmen und theologisch-historischen Kommentaren verleiht dem Material zusätzliche Tiefe. Der Zuschauer erhält einen differenzierten Einblick in die Spannbreite der Reformthemen – Liturgie, Ökumene, Offenbarung, Weltkirche – und zugleich in ihre bis heute spürbaren Folgen. Neben dem Wissen um die historischen Zusammenhänge ermöglicht er auch ein unmittelbares Verständnis heutiger kirchlicher und gesellschaftlicher Fragestellungen. Welche Rolle spielt die Religionsgemeinschaft heute in einer pluralen Gesellschaft?

Gemeinsam mit der Arbeitshilfe eröffnet der Film einen Raum für informierte und kritische Auseinandersetzung. Er zeigt, wie tief kirchliche Reformprozesse in gesellschaftliche Entwicklungen eingebettet sind und wie sehr diese Debatten bis in unsere Gegenwart hineinreichen. Er ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie historische Medieninhalte nicht nur informieren, sondern Denk- und Diskussionsprozesse anstoßen können, und damit einen hohen Wert für die medienpädagogische Praxis besitzen.