
Die Diskussion um Jérôme Boateng und seine geplante Hospitanz beim FC Bayern hat in den vergangenen Wochen deutlich gemacht, wie groß die Spannungen sein können, wenn Symbolik und gelebte Praxis auseinanderfallen. Auf der einen Seite steht ein Verein, der auch dieses Jahr am 25. November die Allianz Arena orange erleuchten lässt, als Zeichen gegen Gewalt an Frauen. Auf der anderen Seite steht die Frage, wie glaubwürdig dieses Zeichen bleibt, wenn gleichzeitig einem Mann, der wegen vorsätzlicher Körperverletzung an seiner damaligen Partnerin verurteilt wurde, erneut eine Bühne im Profifußball eröffnet werden soll. Viele Fans haben genau diesen Widerspruch benannt und gefordert, die eigenen Werte nicht nur zu beleuchten, sondern auch konsequent umzusetzen.
Ein Tag, der Glaubwürdigkeit fordert
Und damit ist man mitten in der Thematik, um die es am 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, eigentlich geht: um Glaubwürdigkeit im Umgang mit Gewalt, die viele Frauen in ihrem Alltag erfahren. Gewalt zeigt sich als körperliche und sexualisierte Gewalt, als Demütigung in Beziehungen, als Drohung am Arbeitsplatz oder als ständige Angst auf dem Heimweg. In der Europäischen Union hat eine aktuelle Erhebung der European Union Agency for Fundamental Rights ergeben, dass etwa jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens körperliche oder sexualisierte Gewalt erlebt. Solche Erfahrungen sind häufig unsichtbar, werden relativiert oder als „Privatsache“ behandelt.
Gleichzeitig ist Gewalt gegen Frauen längst nicht mehr auf analoge Räume beschränkt. Digitale Kommunikationsräume sind eng mit dem Alltag verknüpft, sodass sich Abwertung und Bedrohung nahtlos von der Straße in Chats, Kommentarspalten und Feeds verlagern. Internationale Erhebungen zeigen, dass weltweit je nach Region zwischen 16 und 58 Prozent der Frauen und Mädchen Formen von online- oder technologiegestützter Gewalt erleben, etwa durch Belästigungen, Drohungen, das Veröffentlichen intimer Bilder oder Deepfakes ohne Einwilligung. (UN Women, 2025)
Normen, Narrative und Rollbilder
Ein aktueller Report von jugendschutz.net zeigt in diesem Zusammenhang zudem, dass digitale Gewalt häufig in antifeministischen und misogynen Deutungsmustern verankert ist. So werden Frauen in sozialen Netzwerken, Videoformaten und Podcasts systematisch abgewertet, Gleichberechtigung als Bedrohung inszeniert und Gewaltfantasien normalisiert. Täter greifen dabei gezielt Frauen und Mädchen an, die feministische Positionen vertreten und stellen tradierte Rollenbilder als „natürlich“ und „alternativlos“ dar. Das betrifft nicht nur prominente Frauen, sondern auch Nutzer:innen, die einfach sichtbar sind, etwa, weil sie ihre Arbeit, ihren Körper oder ihre Meinung öffentlich zeigen und teilen.
Medienkompetenz erhält vor diesem Hintergrund eine doppelte Bedeutung. Zum einen geht es darum, Gewaltdarstellungen, antifeministische Botschaften und subtile Schuldzuweisungen überhaupt als solche zu erkennen. Wer versteht, wie Bilder, Ton und Dramaturgie wirken, kann narrative Strategien eher durchschauen, sei es im Nachrichtenbeitrag, im Social-Media-Clip oder in der Sportdokumentation. Zum anderen eröffnet Medienkompetenz Handlungsspielräume: beleidigende Inhalte melden, Accounts blockieren, Beweise sichern, Unterstützung holen und sich mit anderen vernetzen. Ein aktueller Bericht von UN Women und europäischen Fachstellen betont, dass solche Fähigkeiten ein zentraler Baustein im Schutz vor technikgestützter Gewalt sind.
Ein Zugang über filmische Perspektiven
Dass auch Filme in diesem thematischen Kontext eine besondere Rolle spielen können, zeigt das aktuelle Angebot des Katholischen Filmwerks zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Die vorgestellten Produktionen betrachten Gewalt gegen Frauen dabei nicht isoliert, sondern verorten sie in gesellschaftlichen und strukturellen Zusammenhängen. Dabei verzichten sie bewusst darauf, Gewalt zu verherrlichen oder zu spektakularisieren, und rücken stattdessen eine Einordnung in den Mittelpunkt, die Erfahrungen ernst nimmt, ohne sie zu verzerren. Filme können in diesem Sinne Anstöße geben, um über Gewalt in analogen wie digitalen Lebensbereichen ins Gespräch zu kommen. Sie ersetzen keine Unterstützung, tragen jedoch dazu bei, das Thema als Teil gesellschaftlicher Realität wahrzunehmen und nicht aus dem öffentlichen Blick zu verlieren. Begleitende Arbeitsmaterialien erleichtern den Einsatz der Filme in der Bildungsarbeit und bieten praxisnahe Anregungen für den Religions- und Ethikunterricht sowie die Erwachsenenbildung.
Der 25. November ist mehr als ein Datum im Kalender oder eine orange leuchtende Arena. Er erinnert daran, dass Gewalt gegen Frauen ein strukturelles Problem ist, das sich durch alle Lebensbereiche zieht, von der Partnerschaft bis zur Kommentarspalte. Wer Gewalt ernst nimmt, kann sich nicht mit Symbolen begnügen. Es braucht klare Konsequenzen für Täter, verlässliche Unterstützung für Betroffene, sichere Räume offline wie online und eine medienkritische Haltung, die auch im Kleinen eingreift, wenn Grenzen überschritten werden. Zwischen Stadionlicht, Bildschirm und Alltag entscheidet sich letztlich, wie ernst unsere Gesellschaft es mit dem Schutz von Frauen meint und ob die, die betroffen sind, sich gesehen und gehört fühlen.
