Vor 60 Jahren endete das Zweite Vatikanische Konzil: Was Kirche über Medien sagt und was Medien über das Konzil sagen

Vor 60 Jahren endete das Zweite Vatikanische Konzil: Was Kirche über Medien sagt und was Medien über das Konzil sagen

Vor 60 Jahren endete das Zweite Vatikanische Konzil: Was Kirche über Medien sagt und was Medien über das Konzil sagen
Foto: Chati Goli – Pexels (CC0)

Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) war die bisher größte weltweite Bischofsversammlung der katholischen Kirche, die eine umfassende Erneuerung von Lehre und Praxis anstoßen sollte. Das Ziel war es, die Kirche stärker in eine neue Zeit zu führen. Es betonte Religionsfreiheit, Ökumene und die aktive Teilnahme der Gläubigen an der Liturgie (z. B. Gottesdienste in Landessprachen). Zudem formulierte es ein neues Kirchenverständnis, das die Kirche als „Volk Gottes“ definierte und die Bedeutung von Dialog und Mitverantwortung unterstrich.

Vor 60 Jahren, am 8. Dezember 1965, beendete Papst Paul VI. das Konzil feierlich, das Papst Johannes XXIII. einberufen hatte. In vier Konstitutionen, drei Erklärungen und neun Dekreten führte es zusammen, worum die Beteiligten jahrelang gerungen hatten und schrieb fest, was von nun an in der Kirche grundlegender Konsens sein sollte und wie die Reformen die Kirche verändern sollten.

Das Konzil als Impuls für grundlegende Veränderungen

Ein Prozess, dessen vorläufiger Endpunkt Anstoß für zahlreiche Veränderungen bedeutete: Aufwertung der Laien, Umgestaltung in Gemeinden und Diözesen mit der Entstehung von Pfarrgemeinderäten und diözesanen Pastoralräten, Abbau von Hierarchien, Änderung des Rollenbilds der Frau oder Wahrnehmung und Nutzung neuer technischer Möglichkeiten. Es berufen sich alle auf das Konzil; Gegner und Befürworter, aber die Auslegung der Dokumente und ihre Umsetzung ist immer wieder umstritten. Innerkirchliche Meinungsverschiedenheiten und Konflikte verlangsamen so frühzeitig die Entwicklung.

Ein medienpädagogischer Auftrag: Warum das Konzil für die heutige Medienbildung wichtig bleibt

Als das Zweite Vatikanische Konzil vor 60 Jahren, am 8. Dezember 1965, zu Ende ging, stand die Welt medientechnisch an einem Wendepunkt. Das Fernsehen wurde zum Massenmedium, das Radio war allgegenwärtig und die globale Kommunikation gewann an Tempo. Ein Umbruch, der nicht einfach ignoriert werden konnte. Aus heutiger Perspektive war es folgerichtig, dass die Versammlung diesem Wandel ein eigenes Dokument widmete: Inter Mirifica, das „Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel“. Was kann ein über sechs Jahrzehnte altes Konzilsdokument aus einer vordigitalen Welt Medienpädagoginnen und Medienpädagogen im Jahr 2025 überhaupt noch sagen? Mehr, als man auf den ersten Blick erwarten würde.

Frühe Medienethik: Inter Mirifica

1963 verabschiedet, war Inter Mirifica eines der kürzesten, aber in Bezug auf die sozialen Kommunikationsmittel inhaltlich wegweisenden Konzilsdokumente. Die Kirche erkannte Medien nicht nur als Gegenstand der Moraltheologie, sondern auch als gesellschaftsprägende Kraft. Und damit auch die strukturelle Herausforderung für die kirchliche Praxis. Das Dokument forderte nicht nur Journalistinnen und Journalisten zur Verantwortung auf, sondern explizit auch die Kirche als Institution sowie die einzelnen Mediennutzenden als Medienakteure:

  • Recht auf Information – Menschen haben Anspruch auf wahrhaftige, vollständige und verantwortungsvoll aufbereitete Nachrichten. Eine Forderung, die heute im Lärm von Desinformation, Deepfakes und politischer Propaganda noch weitaus dringlicher geworden ist als damals.
  • Verantwortung der Medienschaffenden – Journalismus ist keine beliebige Dienstleistung, sondern ein gesellschaftlicher Auftrag. Journalist:innen, Redakteur:innen, Filmemacher:innen und Broadcaster:innen tragen eine moralische Verantwortung für die Folgen ihrer Berichterstattung. Ein Gedanke, der angesichts von Clickbait, Empörungsökonomie und hyperkommerzieller Plattformlogiken umso bedeutsamer ist.
  • Würdigung der Medien als Kulturmacht – Medien berichten nicht nur, sondern sie gestalten Weltbilder, Meinungen, Identitätsprozesse und öffentliche Debatten.
  • Notwendigkeit der Professionalisierung – Innerhalb der Kirche müssen Menschen ausgebildet werden, die Medien verstehen, gestalten, nutzen und kritisch begleiten können. Ein erstaunlich früher Ruf nach dem, was wir heute Medienkompetenz nennen würden.
Vor 60 Jahren endete das Zweite Vatikanische Konzil: Was Kirche über Medien sagt und was Medien über das Konzil sagen
Foto: Cosmin Paduraru – Pexels (CC0)

Welttag der sozialen Kommunikationsmittel

Dass das Konzil gleichzeitig einen Welttag der sozialen Kommunikationsmittel einführte, zeigt, wie ernst man diese Verantwortung nahm. Die Bedeutung von Medien, Medienschaffenden und Mediennutzenden für Kirche und Gesellschaft wird mit diesem Tag in das Bewusstsein gerückt. In den ersten Jahren standen hier klassische Medienformen und ihre gesellschaftliche Rolle im Fokus, wie 1969: „Soziale Kommunikation und Familie“, 1970: „Soziale Kommunikation und Jugend“. In jüngerer Zeit griff der Welttag aktuelle Herausforderungen der Medienwelt auf — zum Beispiel 2018 das Thema „Fake News und Journalismus für den Frieden“ oder 2024 „Künstliche Intelligenz und Weisheit des Herzens“.

Medien als gesellschaftlicher Auftrag – und als Risiko

Auch andere Konzilsdokumente griffen das Thema auf. Gaudium et Spes nannte Medien treibende Kräfte der kulturellen Entwicklung und betonte, wie entscheidend freie und wahrhaftige Kommunikation für demokratische und soziale Teilhabe ist. Damit formulierte das Konzil lange vor Internet, Social Media und Algorithmen Grundprinzipien einer strukturierten Medienkompetenz. Natürlich war das Konzil weit entfernt von den Debatten, die wir heute führen: Filterblasen, algorithmische Vorselektion, toxische Diskurskultur. Aber es formulierte Grundsätze, die die moderne Medienpädagogik nach wie vor beschäftigen – und herausfordern.

Was bedeutet das für die Medienbildung heute?

Für die Medienpädagogik des 21. Jahrhunderts lassen sich aus dem Konzil bleibende Impulse ableiten: Medienkompetenz ist kein Randthema, sondern pastoraler Auftrag, Information und die Suche nach Wahrhaftigkeit ist Gegenstand kirchlicher Kommunikation und die Professionalisierung der Kommunizierenden eine grundlegende Aufgabe. Medienräume können zu Orten religiöser Erfahrung und Gemeinschaft werden. Das bedeutet, dass kirchliche Medienbildung in einer Welt von Deepfakes, Fehlinformationen und algorithmisch gesteuerten Feeds nicht nur Nutzungswissen vermitteln muss, sondern auch die Befähigung zur kritischen Überprüfung von Informationen und zur kommunikativen Selbstbestimmung.

Die Eigenverantwortung ist nicht verhandelbar und muss medienpädagogisch vermittelt werden. Wie navigieren wir in digitalen Räumen, die von Emotionen, Geschwindigkeit und Polarisierung leben? Wie vermitteln wir Verantwortung im Umgang mit Bildern, Sprache und Öffentlichkeit? Und wie können professionelle journalistische Standards in einer Umgebung verteidigt werden, die Geschwindigkeit über Genauigkeit stellt? Ein bemerkenswerter Punkt des Konzils wird oft übersehen: Medien wurden nicht nur als Bedrohung betrachtet, sondern auch als Möglichkeit zur Beziehung und Verständigung. Für die Medienpädagogik von heute heißt das: Wer Medienkompetenz fördert, fördert nicht nur Kritikfähigkeit, sondern auch Gestaltungskraft. Junge Menschen sollen Medien nutzen lernen, um Gemeinschaft zu stärken, kreativ zu sein und Räume des Dialogs zu gestalten – eine Perspektive, die in der Debatte über mediale Gefahren oft verloren geht.

Installation kirchlicher Medienakteure

Um die Anforderungen, die sich aus dem Konzil ergeben haben, erfüllen zu können, sorgt die Kirche für vielfältiges Medienengagement auf Gemeinde-, Diözesan- und Bundesebene: Die Publizistische Kommission der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) mit ihren Unterkommissionen beschäftigt sich mit dem Medienwandel sowie den daraus entstehenden Fragestellungen und entwickelt Strategien für die Medienarbeit. Pfarrbriefservice, Büchereien und konfessionelle Medienzentralen und Medienbildungsstellen auf der Ebene der einzelnen Bistümer sorgen für die operative Umsetzung. Medienkompetenz CONNECT im Katholischen Filmwerk GmbH hat im August 2025 mit veränderten Schwerpunkten die Aufgaben der Clearingstelle Medienkompetenz der Katholischen Bischofskonferenz übernommen und fördert und verstärkt aktiv die Vermittlung kirchlicher Medienkompetenz.

Fazit

Sechzig Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zeigen sich dessen medienbezogene Aussagen erstaunlich aktuell. Für Medienpädagoginnen und Medienpädagogen, aber auch für Haupt- und Ehrenamtliche in pastoralen, bildenden oder kommunikativen Arbeitsfeldern, bieten die Aussagen des Konzils einen erkenntnisreichen Rahmen: Ein ethischer Kompass, der ein Bewusstsein dafür schafft, dass Kommunikation nicht neutral ist, sondern soziale Verantwortung trägt. Für die heutige Medienpädagogik bleibt genau das der zentraler Auftrag: Medien nicht nur zu nutzen, sondern sie bewusst, kritisch und verantwortungsvoll zu gestalten und damit eine Kirche zu sein, die Medienkompetenz systematisch in katechetische, pastorale und schulische Konzepte integriert.

Das Zweite Vatikanische Konzil war nicht nur ein kirchenhistorisches Großereignis, sondern zugleich ein mediales. Während sich die Bischöfe und Theologen mit der Rolle der modernen Kommunikationsmittel auseinandersetzten, prägten Zeitungsartikel, Radioberichte und Fernsehbilder entscheidend das öffentliche Bild des Konzils. Die Medien wurden damit zu einem Resonanzraum, in dem die theologischen Debatten, die gesellschaftlichen Erwartungen und die innerkirchlichen Spannungen sichtbar und verhandelbar wurden.

Filmische Auseinandersetzung mit dem Zweiten Vaticanum

Filme über das Zweite Vatikanische Konzil eröffnen heute einen besonderen Zugang zu diesem Zeitabschnitt. Denn sie übersetzen komplexe theologische Entwicklungen, innerkirchliche Konfliktlinien und atmosphärische Stimmungen in anschauliche, emotional zugängliche Erzählformen. Dokumentarfilme, Archivmaterial und Spielfilme machen die Dynamik der Jahre 1962 bis 1965 erfahrbar – von den großen Reformideen über die liturgischen und ökumenischen Impulse bis hin zu den politischen und kulturellen Umbrüchen, die das Konzil begleiteten.

Einen Überblick über das Geschehen gibt die Dokumentation „Kampf um den Vatikan – Hinter den Kulissen des Konzils“, Deutschland 2012, 54 Minuten, Regie: Holger Preuße, Ludwig Ring-Eifel, mit Äußerungen von Zeitzeugen und Filmausschnitten. Aufgrund seines umfangreichen dokumentarischen Materials besonders gut geeignet für die Auseinandersetzung mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil und das Eintauchen in seine Geschichte ist die Dokumentation „Schleifung der Bastionen – Das Zweite Vatikanische Konzil“, Deutschland 2011, 134 Min, Regie: Martin Posselt, Werner Reuß. Einen intensiven und spannenden Blick auf Aspekte kirchlichen Geschehens sowie die Wahrnehmung von innerkirchlichen Besonderheiten und Problemstellungen aus Sicht heutiger Filmschaffender gewährt der Spielfilm „Konklave“, GB, USA, 116 Min, Regie: Edward Berger.

Für die Bildungsarbeit bieten die konfessionellen Medienzentralen der (Erz-)Bistümer eine breite Auswahl und Quelle an entsprechenden Produktionen und Arbeitshilfen. Diese Filme ermöglichen nicht nur eine historische Annäherung, sondern laden auch zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den Hoffnungen, Konflikten und Errungenschaften des Konzils ein. Sie schaffen Räume, in denen sich die Bedeutung des Zweiten Vaticanums für Kirche und Gesellschaft damals wie heute reflektieren lässt.

Weitere Hinweise und Links für den Einsatz in der Bildungsarbeit und Materialien finden sich z. B. auf den Seiten der Bischofskonferenz, auf katholisch.de und rpp-katholisch.de.